Ja, nein, nichts - einfach mal den Schnauz halten

Titelbild des Blogartikels Ja, nein, nichts - einfach mal den Schnauz halten

Veröffentlicht am Jul 5, 2023 von
Ralph Cibis, Punk seit 2016.
Ralphs Fokus liegt auf leadership & purpose.


Ja, nein, nichts - einfach mal den Schnauz halten

Immer mal wieder stolpere ich über einfache Wahrheiten im Arbeitsalltag. Vor einiger Zeit hatten Domi und ich darüber auch mal einen Blogbeitrag geschrieben. Manche dieser Wahrheiten sind in mal mehr, mal weniger ironisch gemeinten Gesetzen niedergeschrieben, z.B das Peter-Prinzip, Hanlons Rasiermesser, das Gesetz von Conway. Unser Arbeitsalltag liegt in fast allen Fällen irgendwo zwischen diesen Gesetzen und einfachen Wahrheiten. Ein weiteres Beispiel ist, dass in so gut wie allen Workshops & Retros, egal bei welcher Firma, immer wieder die Stickies „Transparenz“ und „Kommunikation“ an der Wand hängen. Es gibt einfach immer wiederkehrende Muster, die dann von irgendwelchen Berater:innen in neue, ach so schlaue Frameworks gepackt werden, um das, was vor vielen Jahren schon erkannt wurde nochmal neu zu monetarisieren und im besten Fall ein kleines Trademark- oder Copyright-Emblem daneben zu packen.

Aber darum soll es heute gar nicht gehen. Es soll um eine weitere Wahrheit gehen, die mir vor kurzem klargeworden ist. Natürlich habe ich schon des Öfteren Teile davon in irgendwelchen schlauen Beiträgen zum Thema Management gelesen. Dennoch hatte ich Lust, meine Gedanken dazu selbst mal zu Papier zu bringen. Es geht um die Reise der Führungskraft, die sich (mein Stand jetzt) sehr gut in drei Stationen untergliedern lässt: ja. nein. nichts.

Ja

Du bist neu in deiner Rolle als Führungskraft. Plötzlich hast du Menschen, die vielleicht sogar zu dir aufsehen, aber mindestens Menschen, für deren Karriere und Entwicklung du jetzt verantwortlich bist. Du findest dich langsam in der neuen Rolle zurecht und führst erste 1:1s oder Mitarbeitendengespräche. Wenn du es schaffst, dich einigermaßen vertrauensvoll und authentisch zu verkaufen, wird folgendes passieren: deine Mitarbeitenden werden mit verschiedensten Ideen und Anfragen auf dich zukommen. Manche davon klingen supercool, bei manchen bist du dir aber nicht sicher. Die fallen dann in die Rubrik „die andere Person wird schon wissen, was sie da sagt.“

Und das coole: du darfst jetzt entscheiden was richtig ist. Du wirst selbst beobachten, dass du sehr oft „ja“ sagst. Nicht nur, weil du das neu aufgebaute Vertrauen genießt und dich an der Freude deiner Mitarbeitenden labst, wenn du eine positive Entscheidung getroffen hast. Du denkst dir selbst auch, dass du deinen Leuten endlich ermöglichen kannst, was dir vielleicht verwert wurde. Damals, als du noch Fachexpert:in warst. Du liebst diese frische, positive Kultur in deinem Team. Du fühlst dich wie der Leuchtturm, der allen den Weg weißt. Du hast wenig zu tun, denn alles läuft.

Nein

Doch irgendwann passiert das, was immer passiert. Leute sind unglücklich mit den Ergebnissen ihrer Projekte. Es kommt Frust auf, warum dies oder das nicht von Anfang an verhindert wurde. Mitarbeitende verlieren sich zwischen zu vielen Abhängigkeiten und Zuständigkeiten. Ihnen wurde alles ermöglicht. Und wenn es hier eine einfache Wahrheit gibt, dann wird diese sich darum drehen, dass es bedeutungslos ist alles ein bisschen zu tun. Wenn du dich um alles gleichzeitig kümmerst, kümmerst du dich um nichts wirklich.

Dir wird das klar. Es fehlt an Priorisierung, es fehlt an Klarheit, Vision und Produktivität. Du schlägst den Duden beim Buchstaben „m“ auf und blätterst noch einige Seiten, bis du endlich beim Wort „nein“ angekommen bist. Als Führungskraft nimmst du deinen gesamten Mut zusammen. Jetzt musst du beweisen, dass du einen Plan hast und deinen Mitarbeitenden vermitteln, was wichtig ist und wozu eben „nein“ gesagt werden muss. Du vermittelst ihnen, dass du ihren Wert und den Wert, den sie in ihrer Arbeitszeit erschaffen können, erkannt hast. Du hast gelernt zu Ideen „nein“ zu sagen. Du hast gelernt, ein „nein“ auch sinnvoll zu vermitteln. Glückwunsch. Du hast die zweite Stufe Führungskraft erreicht. Wo soll es jetzt noch hingehen? Prioritäten sind klar, Mitarbeitende sind produktiv. Ein Traum im tayloristisch geprägten Effizienzmanagement. Doch was, wenn du einfach mal die Fresse hältst?

Nichts

Willkommen auf Wolke... äh bei Paragraf 7 dieses Textes. Wir stellen uns hier plötzlich andere Fragen. Was wäre, wenn du nicht da wärst? Was wäre, wenn du nicht „ja“ und „nein“ sagen würdest? Was könntest du erreichen, wenn du einfach mal nichts sagst? Und wie weit könntest du kommen, wenn du diese Stille dann auch aushältst? Dialog ist einfach, vor allem, wenn du selbst als die allwissende Führungskraft wahrgenommen wirst. Du bist immer da, um wichtige Fragen zu beantworten. Um mal ein bisschen Sparring im Projekt hier und im Prozess da zu machen. Du bist die go-to Person, wenn’s brennt. Du hast weise Worte und irgendwelche Lösungen bereit, wenn deine Leute nicht weiterkommen. Cool. Hol dir deinen Badge, denn du bist jetzt ein Bottle Neck.

Du bist jetzt ein Bottle Neck. Nicht, weil du einen schlechten Job gemacht hast. Wahrscheinlich bist du es sogar, weil du deinen Job richtig gut ge... oder hast du vielleicht den Job der anderen richtig gut gemacht? Hast du entlang deines Weges als Führungskraft zu viele Entscheidungen getroffen? Hast du vielleicht sogar deinen Leuten zu viele Entscheidungen abgenommen? Uff.

Aber passiert ist passiert. Und Dinge müssen passieren, um daraus zu lernen. Entsprechend solltest du jetzt deine Learnings daraus ziehen und dich (no pun intended) da rausziehen. Die große Kraft einer guten Führungskraft ist es nichts zu sagen und dennoch Antworten herbeizuführen. Du hast getan, was von dir explizit verlangt wurde. Jetzt konzentriere dich darauf, was du implizit beeinflussen kannst. Sprich weiter mit deinen Mitarbeitenden, aber gib ihnen Raum. Lass sie erzählen, was sie beschäftigt. Lass sie Fragen in den Raum stellen. Lass sie die Stille, die du ihnen entgegen bringst im Stress des Alltags genießen. Lass sie den Moment, die Situation spüren, um selbst Achtsamkeit zu entwickeln. Öffne Raum, um Reflektion zu ermöglichen. Hilf deinen Teammitgliedern eigene Antworten zu finden und auf Basis dieser auch eigene Entscheidungen zu treffen.

Und ja: du darfst natürlich weiterhin Rückfragen stellen und auch selbst Antworten geben. Aber nimm dich als Entscheider:in zurück. Nimm dich als Günther Jauch mit dem Display voller richtiger Antworten zurück. Sei einfach erstmal da um zuzuhören. Sei da, um Raum zu schaffen, der es ermöglicht über Dinge in Ruhe zu sprechen und nachzudenken. Und lerne, die Stille selbst auszuhalten. Nur, wenn Raum existiert, kann dieser genutzt werden.

Ich könnte hier noch ein Fazit schreiben. Irgendwas zu „jetzt seid ihr nicht nur effizient, sondern auch noch viel effektiver“ oder „vielleicht könnt ihr das auch messbar machen.“ Aber ich belasse es bei nichts. Überlegt euch selbst, ob’s euch hilft.

alt text

Ich kann den Schnauz halten, ich kann aber auch den Wuff halten.