Veröffentlicht am Nov 2, 2020 von
Dominic Burucker,
Punk seit 2018.
Dominics Fokus liegt auf agent of change & servant leader.
Wenn's euch wie mir geht, dann habt ihr einfach auch die Schnauze voll von dem Jahr.
Die Stimmung ist dauerhaft gedrückt, keiner kann mehr was von Covid-19 hören, trotzdem schauen alle auf Ampeln und Zahlen und dann ist es eben doch das gefühlt einzige Thema das es gibt.
Jeder hat seinen Senf dazu schonmal abgegeben, LinkedIn hat Berichte über “effektives Remote-Arbeiten” für die nächsten 10 Jahre in 6 Monaten produziert.
Jeder hat seine Chance für “Remote-Coachings” gewittert und schnell konnte man es nicht mehr hören oder lesen.
Wer sich ablenken will binged Netflix bis es nichts mehr gibt oder verfolgt die US-Wahl, die eher einer derben Stand-Up Comedy gleicht, bis einem bewusst wird, dass es dabei um das Schicksal der Nation geht, welches irgendwie auch für die restliche Welt richtungsweisend sein wird.
Wir können die Situation, die wir gerade kollektiv durchleben, nicht einschätzen, weil keine der aktiven Generationen etwas ähnliches durchlebt hat, und das macht die Zukunft ungewiss, wir haben keine lebendige Referenz. Und am Anfang waren alle aufgebracht und waren tüchtig dabei sich neu zu kalibrieren. Jetzt folgt die Ermüdung.
Lustigerweise wird mir langsam aber sicher bewusst wie ermüdet ich bin, vor allem als agile Coach. Denn der Job lebt mehr vom öffentlichen Leben als mir klar war.
Ich will ganz klar sein: Jammern muss ich wirklich nicht. Viele Leute aus der Gastronomie oder Veranstaltungsbranche stehen langsam aber sicher vor den Trümmern ihrer Existenz. Pflegekräfte und Krankenhauspersonal müssen für lächerliche Löhne unglaubliches leisten. Logistiker etc. müssen jeden Tag raus während andere HO machen können.
Diese Menschen haben nach der Pandemie schlicht und ergreifend mehr Geld verdient. Jeder von uns lebt aber nunmal in seinem Körper. Und ich sehe den Job den ich mache durch meine Linsen.
Am Anfang war ich erstmal angetan. Home Office im großem Unternehmen - Das klingt nach Zukunft.
Wir können von zuhause aus unsere Strukturen weiter aufrecht erhalten, weiter mit unserer Leistung dienen um das Unternehmen mit durch die Krise zu tragen. Vor allem Familien profitieren davon ihre Kinder öfter als nur früh und abends eine Stunde zu sehen.
Wir haben von Beginn an Umfragen durchgeführt zu unserer neuen Remote-Situation. Wir arbeiten ja auch über mehrere Standorte in Deutschland hinweg.
Das Ergebnis: Tendenziell sehr positiv, aber doch wollen viele, fast die Hälfte doch mindestens ein paar Mal die Woche im Büro sein.
Der soziale Austausch vor Ort, die Konzentration die das Umfeld gibt und die Atmosphäre kann HO dann eben doch nicht geben.
Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das doppelt stimmt für den Job als Scrum Master oder agile Coach. Vor einiger Zeit hatte ich wieder die ersten Vor-Ort-Retrospektiven mit unseren Teams und nach Monaten der Ermüdung, der “neuen” Routine und Frage nach dem wie es weitergeht waren die Termine vor Ort wie frische Luft. Die Leute sind präsenter und fokussiert. Sie arbeiten mit und tauschen sich aktiv aus. All diese Dinge finden remote nur bedingt statt. Keiner weis ob nicht nebenher was anderes gemacht wird. Die Hälfte trinkt und isst nebenher. Man geht zwischendurch aufs Klo und so weiter. Distanziertes moderieren ist eben nur bedingte Interaktion mit den Individuen und Teammitgliedern. Selbst wenn die Leute all das vor Ort tun: Trotzdem kann man die Aufmerksamkeit auf das Meeting lenken und auch viel einfacher die Regeln festlegen.
Die private Wohnung ist eine Comfort Zone. Und manche können in dieser Zone produktiver sein und manche weniger.
Klar, man kann jedes mal die Kamera anschalten. Aber man will sich auch nicht immer jedem zumuten wenn man, sind wir ehrlich, im Schlafanzug am PC sitzt.
Auch fällt mir auf, dass die Ergebnisse aus vor Ort Terminen bei den Teilnehmern um einiges mehr hängen bleiben als bei Remote-Terminen.
Wie ich schon oft schrieb, agiler Coach sein ist kein linearer Beruf. Er ist in seiner “Gestalt” die Geburt einer sehr modernen Einstellung zum Thema Arbeit.
Dauerhafte Weiterbildung in sich disruptiven und schnell entwickelnden Dienstleister-Branchen gepaart mit sozialen, psychologischen, systemischen Skills in Umfeldern die meist durch Metriken, ökonomische Parameter und (Firmen-)Politik geformt werden. Vor einigen Jahrzehnten war vieles noch undenkbar von dem was jetzt von den Firmen adaptiert wird.
Ganzheitlichkeit und in gewisser weise ein Erziehungsauftrag für junge Erwachsene, sowohl Arbeiter und Entscheider, das macht den Job im Kern aus.
Die meisten Firmen wissen auch gar nicht genau was sie von einem agilen Coach eigentlich wirklich wollen und noch gibt es in den Firmen wenige Mentoren, die alt gedient sind und jahrelange Erfahrung haben.
Daher lebt der Job jetzt gerade auch vom konstantem Kontrast durch Begegnungen mit anderen. Die Weiterbildung und der Austausch, das beobachten von Umfeldern außerhalb der eigenen Arbeit sind am Ende Eigenkapital und Kapital für die Firma.
Wenn man sich austauscht muss man die Fehler anderer nicht nachmachen, aber man kann die Erfolge anderer studieren und ggf. adaptieren.
Früher war ich zugegebenermaßen skeptisch, manchmal spöttisch, wenn es um die diese ganzen Meet-Ups ging. Zuviel sich die Klinke in die Hand geben und Selbstbeweihräucherung. Ich bin auch immer noch alles andere als unkritisch, dennoch merkt man eben erst was einem fehlt, wenn es weg ist. Die Passion kommt eben dann, wenn einem neue Perspektiven und Wege aufgezeigt werden. Und das passiert oft durch unscheinbare Gespräche die man irgendwo zwischen Post-Its und Fritz-Kola hat.
Ganz offensichtlich aber wichtig: Es aushalten. Sich eingestehen, dass es so ist wie es ist auf unbestimmte Zeit. Was so banal klingt ist es gar nicht. Menschen tendieren dazu auf Unsicherheit und sich schnell verändernde Situationen instinktiv aufgebracht und hysterisch zu reagieren. Sich einzugestehen, dass man die Kontrolle abgeben muss über die Gesamtsituation hilft um sich zu erden.
Sich so viel wie möglich frische Luft nach Hause holen. CoPs also Communities of Practice helfen uns in der Firma ganz gut. Der Austausch mit anderen Coaches hilft ungemein, eigene Situationen zu relativieren und neue Denkanstöße und Impulse zu haben. Sich auch dann weiterbilden, wenn es eben “wieder” remote ist. Selbst wenn es traurig ist, dass groß angelegte Teamevents oder externe Fortbildungen vor dem PC stattfinden müssen - es hilft sie genauso ernst zu nehmen wie wenn man vor Ort wäre. Auszahlen wird es sich am Ende, und wenn wieder alles “normal” ist sowieso.
Offen bleiben für das was kommt, auch in der eigenen Firma. Corona treibt das Umdenken in vielen Bereichen von selbst an. Wenn sich eine gewinnbringende Möglichkeit durch Corona ergibt dann heißt es: Zuschlagen, sie kommt in der Form vielleicht nie wieder. Das wiederum bedingt, dass man besonders sensibel sein muss für den gesamten Status seiner Organisation.
Well that's it for today. Lange kam nichts, weil einfach alles etwas eingeschlafen war... aber jetzt gehts langsam wieder los, damit wir alle wieder agile enough werden ;)